Baden-Badener Gespräche 2024
In bewährter Tradition organisierte die Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte e.V. (agswn) im Vorfeld der 38. Notfallmedizinischen Jahrestagung in Baden-Baden einen gemeinsamen Austausch von Vertretern der Politik, der Hilfsorganisationen und anderer Fachdienste aus den drei Bundesländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland sowie externer Experten mit dem Vorstand. Die berufspolitischen Gespräche der agswn sollen dazu beitragen, gemeinsame Ansätze für die Verbesserung der notfallmedizinischen Versorgung der Bevölkerung zu entwickeln und – im Sinne der Vereinsziele – diese in die Praxis umzusetzen. Thema der berufspolitischen Gespräche war in diesem Jahr „Notfallsanitäter und Notarzt: das Team der Zukunft!“.
In Impulsreferaten führten zwei Referenten in die Thematik ein. Leonard von Hammerstein, Geschäftsführer des Badischen Roten Kreuzes, betrachtete das Zusammenwirken von Notfallsanitätern und Notärzten aus Sicht eines Rettungsdienstträgers, während Prof. Dr. Matthias Fischer als agswn-Vorsitzender die ärztliche Sicht beleuchtete. Beide waren sich einig, dass es in der Diskussion nicht um ein „entweder – oder“ gehe, sondern um eine bessere Abstimmung des Zusammenwirkens. Immer mehr Standorte mit immer mehr Einsätzen seien nicht die Antwort auf die Herausforderungen der notfallmedizinischen Versorgung der Bevölkerung. Ein ganz wesentliches Problem im Bereich der Notfallsanitäter stelle – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels – die Verweildauer im Beruf dar, so von Hammerstein.
In der anschließenden angeregten Diskussion zeigte sich eines überdeutlich: alle Beteiligten arbeiten in ihren jeweiligen Bereichen daran, die notfallmedizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen – naturgemäß mit unterschiedlichen Herangehensweisen und Perspektiven, aber einem gemeinsamen Ziel. Einen stärkeren Schulterschluss zur Bewältigung der großen Herausforderungen zu suchen und die Kräfte stärker zu bündeln formulierte die Runde dementsprechend als eines der wichtigsten Ergebnisse des Treffens.
Der Fachkräftemangel im Bereich der Notfallsanitäter ist nicht vorrangig ein Ausbildungsproblem, sondern eine Frage der Verweildauer im Beruf. Gründe für die Abwanderung wurden neben fehlenden Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten, des Wechsels in ein Studium oder eine Tätigkeit in Kliniken insbesondere auch in einer „Systemfrustration“ gesehen: für die notfallmedizinische Versorgung hochqualifizierte Einsatzkräfte werden regelhalt für nicht-dringliche medizinische Probleme eingesetzt. Die Verfügbarkeit der Rettungsdienste rund um die Uhr führt zur Alarmierung bei sogenannten „Low Code Einsätzen“, die eigentlich durch andere Bereiche des Gesundheitswesens abzudecken wären. Dieses Problem findet sich ebenfalls im notärztlichen Sektor und führt entsprechend zur Forderung, die Einsatzindikationen im Notfallsanitäter- wie Notarztbereich strenger zu stellen und beispielsweise die Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung für die ambulante Versorgung stärker einzufordern. Im Rahmen der Ausbildung müsse auf diese Themen allerdings auch verstärkt eingegangen werden, um die Akzeptanz der Einsätze im Grenzbereich zwischen hausärztlicher Versorgung und Notfallmedizin zu erhöhen.
Im Kontext der rettungsdienstlichen Systemüberlastung wurde auch über Strategien diskutiert, um die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu stärken. Niedrigschwellige Angebote zur Information, aber auch gemeinsame Anlaufstellen für medizinische Hilfeersuchen werden hier als wichtige Ansätze betrachtet. Gemeinsame Leitstellen müssten dann allerdings auch den Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst disponieren, an den Hausarzt oder eine Klinikambulanz verweisen dürfen, wenn gemäß Abfrage keine Kriterien für den Einsatz des Rettungsdienstes vorliegen.
Durchaus selbstkritisch wurde aus notärztlicher Sicht das Thema Ausbildung und Fortbildungspflicht diskutiert. Während Notfallsanitäter ganz überwiegend nach klaren Vorgaben und Handlungsanweisungen arbeiten und sich regelmäßig fortbilden müssen, findet sich im notärztlichen Bereich teilweise noch der Ansatz ärztlicher Individualität als Grundprinzip. „Wenn wir als Team funktionieren wollen, müssen wir nach denselben Grundsätzen auf dem Boden aktueller Leitlinien und Empfehlungen arbeiten und dies idealerweise auch gemeinsam trainieren“, zog Prof. Fischer ein Fazit der Veranstaltung.