116 117 und 112: Notrufabfrage von Patientenseite denken
Die Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte e.V. (agswn) beobachtet mit großer Sorge, zu welchen Schwierigkeiten die Übernahme der Disposition des ärztlichen Bereitschaftsdienstes durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) führt. Patienten und Pflegeeinrichtungen berichten von massiven Erreichbarkeitsproblemen der Rufnummer 116 117 mit Wartezeiten in inakzeptablem Bereich, die bei der KV bekannt sind und auch bereits wiederholt zu kritischer Berichterstattung führten.
Die Integrierten Rettungsleitstellen beklagen die aktuelle Situation ebenso. Zunehmend wenden sich auch Notärztinnen und Notärzte mit Berichten an uns, die weitere Aspekte der unglücklichen Auftrennung der Disposition von Notfallrettung über den Europanotruf 112 und Ärztlichem Bereitschaftsdienst der KV über die 116 117 aufzeigen. Seit September 2021 organisiert die Kassenärztliche Vereinigung die Entgegennahme in zentralen Call Centern, und seitdem nehmen Einsätze von Notarzt- und Rettungsdienst zu, die sich als nicht indiziert und teilweise auch als nicht intendiert seitens der Anrufer erweisen, die beim Telefonat gar keine dringliche Situation schilderten. Umgekehrt entstehen aufgrund der unterschiedlichen „Notruf“-Nummern weiterhin problematische Zeitverzögerungen durch Anrufe unter 116 117, bei denen eigentlich die Notfallrettung kontaktiert werden sollte. Konnte dies bis zum Herbst noch dadurch aufgefangen werden, dass die Anrufer ohnehin bei der jeweiligen integrierten Leitstelle landeten, welche die Entgegennahme für die Kassenärztliche Vereinigung sicherstellte, kommt es nun zu Verzögerungen im Notfall, welche durch die seit Monaten bekannte Warteschleifenproblematik verschärft werden.
Aus Sicht der agswn zeigt sich ein Grundproblem der getrennten Systeme: Während Notarzt- und Rettungsdienst rund um die Uhr für lebensbedrohliche, zeitkritische Situationen wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Kreislaufstillstand und Unfälle erreichbar sein müssen, dient die 116 117 vorrangig der Vermittlung eines Vertreters der Hausärztin oder des Hausarztes für weniger dringliche medizinische Probleme außerhalb der Praxiszeiten. Das deutsche System zur Bearbeitung medizinischer Hilfeersuchen verlangt mithin den Patienten ab, eine Einschätzung der Dringlichkeit des jeweiligen Sachverhaltes vorzunehmen – statt eine zentrale Rufnummer für diese Fragestellungen anzubieten, wie dies in Nachbarländern der Fall ist.
Durch die gemeinsame Entgegennahme von Anrufen unter 112 sowie 116 117 durch die integrierten Rettungsleitstellen war es ein Stück weit gelungen, diesen Systemfehler zu kompensieren. Leider führt die scharfe Trennung beider Systeme in den letzten Monaten zu den prognostizierten Problemen, da Menschen sich dann doch hilfesuchend an die 112 wenden oder einfach direkt die Notaufnahmen der Kliniken aufsuchen. Die Erwartungen werden aber sogar noch übertroffen, wenn selbst Notärzte am Bett eines Palliativpatienten beim Versuch, den Besuch eines Vertreters der KV zu organisieren, vom Call Center hartnäckig auf den Einsatz der Notfallrettung „gemäß Algorithmus“ verwiesen werden.
Die agswn fordert, die Notrufabfrage von der Patientenseite her zu denken: Egal bei welchem – subjektivem oder objektivem – medizinischen Notfall muss eine qualifizierte Entgegennahme des Anrufs nebst der Disposition einer sachgerechten Hilfe, gleich ob Kassenärztlicher Notdienst oder Notarzt- und Rettungsdienst, aus einer Hand erfolgen.
Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte e.V. – agswn
Die agswn, die Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte e.V., wurde im Juli 1983 gegründet und hat mittlerweile über 2.000 Mitglieder. Sie nimmt die Interessen der Notärzte in den Bundesländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland wahr. Mit den anderen Länder-Arbeitsgemeinschaften bildet sie die BAND e.V. (Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands).
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