Stellungnahme der agswn zur geplatzten Reform der Notfallversorgung in Deutschland
Die agswn und viele andere, die Verantwortung in der Notfallversorgung der Bevölkerung in Deutschland tragen, haben mit Bedauern zur Kenntnis nehmen müssen, dass mit Scheitern der Koalition auch der Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung nicht mehr zur Abstimmung im Parlament kommt.
Die Probleme bleiben aber bestehen und die agswn sieht weiterhin einen sehr hohen Bedarf, die Struktur der Notfallversorgung nachhaltig zu reformieren. Wir verweisen hier auf die 11 Thesen der agswn.
Die Fehlsteuerung und der Missbrauch des Notarzt- und Rettungsdienstes müssen gestoppt werden, um die Patientenversorgung zu verbessern und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu steigern.
Hierzu sind die Leitstellen des Rettungsdienstes und der kassenärztlichen Vereinigung (116 117) grundsätzlich zu reformieren, zusammenzulegen und im Aufgabenspektrum zu erweitern. Die agswn weist darauf hin, dass der Leitstelle für die Steuerung dieser medizinischen Systeme eine besondere Bedeutung zukommt, da Notfallpatienten ihre Erkrankungsschwere selbst nicht zuverlässig einschätzen können.
Die neuen Gesundheitsleitstellen sollten anhand von Computer- und KI-unterstützten Abfragesystemen differenziert und sachgerecht die hilfesuchenden Patienten den verschiedenen Stufen der Notfallversorgung zuordnen:
- ambulante Selbstversorgung nach telefonischer Beratung mit hausärztlicher Weiterversorgung
- ambulante Versorgung durch z.B. Pflegekräfte („Community nurses“) oder Gemeinde-Notfallsanitäter, bei Bedarf unterstützt durch telemedizinische Systeme
- (ambulante) Versorgung durch kassenärztlichen Notdienst
- Versorgung durch Notfallsanitäter in Vorabdelegation
- Versorgung durch Notfallsanitäter in Delegation / Absprache mit Telenotarzt
- Versorgung durch Notarzt, bodengebunden ggf. in Absprache mit Telenotarzt
- Versorgung und Transport durch Notarzt im Rettungshubschrauber
Erweiterte Versorgung durch ein Medical Intervention Car und andere spezialisierte Systeme (2)
Alle Dispositionen und Patientenversorgungen müssen dokumentiert und entsprechende Feedback- und Qualitätssicherungssysteme implementiert werden, um kontinuierlich die Dispositions- und Versorgungsqualität zu verbessern.
Hilfsfristen und Qualitätsindikatoren für alle o.g. prähospitalen Versorgungsstufen der Notfallversorgung bundeseinheitlich zu definieren. Insofern begrüßt die agswn die vorgeschlagene Überführung des Notarzt- und Rettungsdienstes in das Sozialgesetzbuch V, um bundeseinheitliche Qualitätsstandards zu etablieren. Diese Maßnahme bietet zudem den Vorteil, dass eine Finanzierung auch bei ambulanter Behandlung und nicht nur bei Transport erfolgt und so unnötige Klinikeinweisungen vermieden werden können.
Die agswn betrachtet die Einbindung telemedizinischer Leistungen auf allen Ebenen als absolut sinnvoll und bedauert die schleppende Umsetzung.
Als weitere Anlaufstation für Notfallpatienten befürwortet die agswn die flächendeckende, bedarfsgerechte Einrichtung von integrierten Notfallzentren (INZ) mit einer medizinisch adäquaten Erreichbarkeit innerhalb von 30 Minuten. Auch hier ist eine unabhängige Qualitätssicherung unabdingbar. Die INZ unterstützen die Verzahnung von ambulanter und stationärer Notfallversorgung.
Die agswn fordert für alle Mitarbeitenden in den Leitstellen und den o.g. Versorgungstufen eine regelmäßige und sachgerechte Fortbildungsverpflichtung, auch für Notärztinnen und Notärzte.
Die agswn weist darauf hin, dass nicht nur die Reform, sondern auch die Durchführung der medizinische Notfallversorgung entsprechend medizinischer Leitlinien und unter Einbindung notfallmedizinischer Expertinnen und Experten erfolgen muss.
Filderstadt, 12.12.2024
Prof. Dr. med. Matthias Fischer
1. Vorsitzender agswn e.V.
Dr. med. Steffen Grünling
Landesvorsitzender Baden-Württemberg der agswn e.V.
Dr. med. Fred Blaschke
Landesvorsitzender Rheinland-Pfalz der agswn e.V.
Stephan Harter
Landesvorsitzender Saarland der agswn e.V.